Sonnenhof
Der Schulbauernhof am Parzival-Schulzentrum – eine Projektvorstellung
Entstehung des Schulbauernhofes
Der Schulbauernhof am Parzival-Schulzentrum ist eine multifunktionale Einrichtung, eingebettet in das Parzival-Zentrum in Karlsruhe. Der Bauernhof verfolgt gleichermaßen soziale – insbesondere pädagogische – ökologische und kulturelle Ziele. Die Arbeit auf dem Schulbauernhof und im ganzen Parzival-Zentrum beruht auf der Anthroposophie Rudolf Steiners, so orientiert sich die Form der Landbewirtschaftung an der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise.
Bereits zur Zeit der Schulgründung bestand die Idee mit unseren besonderen Kindern die Arbeit mit Tieren und an der Erde in unser pädagogisches Konzept mit einzubauen. In den Anfängen – die Schulgründung fand in den Räumlichkeiten der benachbarten Freien Waldorfschule statt – mangelte es dazu jedoch noch am erforderlichen Platz. Nach Entstehung des ersten eigenen Schulgebäudes kaufte der Schulträgerverein ein benachbartes Gartengrundstück, in dem 2006 mit zwei Ziegen und zwei Kaninchen ein erster Schritt in Richtung Landbau und Tierhaltung getan wurde. Dieser erste Schritt stellt die Keimzelle für unsere derzeitigen Aktivitäten dar. Die kleine Tierhaltung war von Beginn an in den Mittelpunkt des Interesses unserer Schulgemeinschaft getreten. Die pädagogische Arbeit mit den Tieren zeigte in jeder Hinsicht positive Wirkungen. Diese schönen Erfahrungen bestärkten uns in unserem Grundziel, die Arbeit mit Tieren und Landwirtschaft weiter auszubauen. So erfolgte 2008 eine Erweiterung der Tierhaltung auf dem – durch Schulbaumaßnahmen zwischenzeitlich angewachsenen – Schulgelände.
Dieser zweite Schritt ermöglichte eine intensive Implementierung der landwirtschaftlichen Aktivitäten in den Unterricht. Es entstanden fünf kleine Ställe und die dazu gehörigen Auslaufflächen, sodass bereits die Atmosphäre auf dem Schulgelände durch vor den Klassenzimmerfenstern weidende Tiere bestimmt wird. Um den Bereich weiter zu stärken, wurden in der Personalauswahl entsprechende Entscheidungen getroffen, sodass mittlerweile mehrere gelernte Landwirte (mit pädagogischen Zusatzqualifikationen) im Fachunterrichtsbereich der Schule tätig sind.
Einer weiteren Entwicklung des Schulbauernhofprojektes stand nun der Mangel an notwendigen Futter- und Auslaufflächen entgegen. So waren wir bis dahin gezwungen, den Großteil des Grundfutters von anderen landwirtschaftlichen Betrieben zuzukaufen. Diese Situation hat sich in jüngster Zeit grundlegend geändert. Sowohl von Privatpersonen als auch von der Stadt Karlsruhe wurden uns Grünlandflächen – insbesondere Streuobstwiesen – im Umfang von bisher ungefähr sieben Hektar mit etwa 200 alten, landschaftsprägenden Hochstammapfelbäumen zur Verfügung gestellt. So war es uns in diesem Jahr erstmals möglich, einen großen Teil des Winterfutters selbst zu bergen.
Die vorhandene Tierhaltung ist Grundlage für eine Kompostwirtschaft und die Arbeit an einer Verlebendigung des durch uns zu pflegenden Bodens. Das anfallende Streuobst wurde zu über 5000 l Apfelsaft verarbeitet, der unseren Kindern zur Verfügung steht. Auch eine kleine Beerenobstpflanzung mit angeschlossener Weiterverarbeitung der Früchte ist Teil des Projektes. Als weiteren Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft beinhaltet unser kleiner Schulbauernhof eine Imkerei mit mehreren Bienenvölkern, die durch sachkundige Kollegen betreut und in die pädagogische Arbeit eingebunden werden.
Die letzten geschilderten Schritte ermöglichen nun den grundsätzlichen Schritt von einer – insbesondere therapeutisch geprägten – Schultierhaltung hin zu einem abgerundeten landwirtschaftlichen Organismus.
Grundlagen für unser Wirken im Schulbauernhof
Wie oben dargestellt arbeiten die Kolleginnen und Kollegen des Parzival-Schulzentrums mittlerweile im fünfzehnten Jahr auf Grundlage der Lehren über Pädagogik und Heilpädagogik Rudolf Steiners an der Aufgabe, besonderen Kindern die gesunde Entfaltung ihres Seelen-Geistwesens zu ermöglichen. Dieser gesunden Entfaltung stellen sich in unserer Zivilisation in zunehmendem Maße Schwierigkeiten in den Weg. Mehr denn je halten wir es für erforderlich, unsere Bemühungen in der oben genannten Aufgabe und in der Fortentwicklung des Menschen – als Aufgabe unseres Zeitalters – um weitere Arbeitsfelder neben der Pädagogik zu erweitern. Besonders die nachfolgend geschilderten Zusammenhänge beschäftigen uns in Hinblick auf eine zukünftige Orientierung unserer Einrichtung.
Heilpädagogik und Landwirtschaft
Unmittelbar vor der Entstehung des Kurses über Heilpädagogik war Rudolf Steiner über die Pfingsttage 1924 nach Koberwitz gereist, um den Landwirtschaftlichen Kurs abzuhalten, der die zentrale Quelle für eine Erneuerung des Bauernstandes und für die Entwicklung heilender Impulse für Mensch und Erde in gegenseitigem Verhältnis darstellt.
Karl König entwickelt aus diesen beiden Strömen – „aus der erneuerten Landwirtschaft kommend und aus der umfassenden Heilpädagogik erfließend“ – den Dorf-Impuls, der ein Wirken der Heilkraft der Erde auf das Menschendasein ermöglicht.
„Denn nur dort, wo der neue landwirtschaftliche Impuls sich mit der Erneuerung des Menschseins für alle Verstoßenen verbindet, entsteht das, (…). Das werden Dörfer sein, in denen der Bauer für das Land, das Vieh, die Pflanzen verantwortlich sein wird. Um ihn herum werden sich Handwerker, Künstler und Kunsthandwerker sammeln, um aus neuer spiritueller Freude heraus schaffend tätig zu sein. Schulen sollen in diesen Dörfern entstehen, wo eine erneute Pädagogik wirksam wird. Und das neue Christentum soll dort seinen Grund und Boden finden, um die Eltern so zu leiten, dass ihre Kinder zu Menschen werden, die aus einer untergehenden Zivilisation die Keimträger einer neuen Kultur werden können: Vorbereiter des sechsten Zeitalters.“
König, K.: Ansprache zur Begründung der Gruppe von Landwirten und Gärtnern am Bodensee
Dieses Zusammenfließen zweier Ströme kann vor dem Hintergrund einer ganzheitlichen Betrachtung und Bearbeitung zivilisatorischer Aufgaben verstanden werden. So wird an verschiedenen Vortragsstellen sowohl Rudolf Steiners als auch Karl Königs auf die Zusammenhänge geistiger Entwicklung des Menschen und seiner Ernährung oder etwa auf den Zusammenhang zwischen medizinischen und landwirtschaftlichen Fragen und Fragen der Ernährung hingewiesen.
Auch unserer Einrichtung stellt sich die Aufgabe, sich neuen Arbeitsfeldern intensiv zuzuwenden, um für die Zukunft erfolgreich zu wirken.
Ganzheitliche Betrachtung von Lebenszusammenhängen
„Die ärztliche Frage ist eine Ernährungsfrage,
Die Ernährungsfrage ist eine landwirtschaftliche Frage,
Die landwirtschaftliche Frage ist eine soziale Frage.“
Vgl. Steel, R. in: „Landwirtschaft und Gemeinschaft“, S. 23
Das oben stehende Zitat – eine Notiz aus dem Vortragsmanuskript Karl Königs aus dem Jahre 1939 – lehrt uns, die Aufgaben, die unsere Kinder und das Leben an uns stellen, nicht als singulär dastehende und in sich abgeschlossene Fragestellungen zu betrachten. Vielmehr bedarf es aus unserer Sicht einer Bearbeitung der vielfältigsten Lebensaspekte, um den Anforderungen, die die uns anvertrauten Kinder an uns stellen, gerecht zu werden. Sowohl unsere Kinder – wie auch die jungen Erwachsenen, die unsere Schule nach Abschluss verlassen – verlangen, sich in Lebensrealitäten üben zu können. Sie wollen in die Welt hineingestellt sein und wollen sich über das Tun mit ihr verbinden. Sie wollen an der Gesellschaft teilhaben und suchen dazu geeignete Anknüpfungspunkte.
Diese Aufgabe richtet sich an die gesamte Gesellschaft und unser gesamtes Kollegium. Durch den weiteren Ausbau unseres Bauernhofes und Grünen Bereiches in der Schule wollen wir Teilhabe an Welt und Gesellschaft über sinngebende Tätigkeit bieten und gemeinsam mit unseren Kindern einen Schulungsweg beschreiten.
Ernährung des Menschen
Der Ernährung des Menschen kommt als lebenserhaltendem Vorgang eine große Bedeutung zu. Bezüglich der Qualität der Nahrungsmittel besteht eine überaus große Spannweite. Sie reicht von der reinen Funktion des Lebensmittels als Kalorienlieferant bis hin zu einem biologisch-dynamisch erzeugten Lebensmittel, dessen Anbauweise bereits auf die Anreicherung ätherischer Kräfte zielt.
Gegenseitige Fortentwicklung von Mensch und Naturreichen
Im Gedicht „Die Fußwaschung“ von Christian Morgenstern setzt sich der Mensch mit seinem Dasein unter anderem in Verhältnis zu den weiteren Naturreichen:
Ich danke dir, du stummer Stein,
und neige mich zu dir hernieder:
Ich schulde dir mein Pflanzensein.
Ich danke euch, ihr Grund und Flor,
und bücke mich zu euch hernieder:
Ihr halft zum Tiere mir empor.
Ich danke euch, Stein, Kraut und Tier,
und beuge mich zu euch hernieder:
Ihr halft mir alle drei zu Mir.
Wir danken dir, du Menschenkind,
und lassen fromm uns vor dir nieder:
weil dadurch, daß du bist, wir sind.
Es dankt aus aller Gottheit Ein –
und aller Gottheit Vielfalt wieder.
In Dank verschlingt sich alles Sein.
Dieses Verhältnis des Menschen zu den Naturreichen ermahnt uns, seine Weiterentwicklung nicht als von den Naturreichen losgelöst zu verfolgen. Vielmehr wollen diese am Entwicklungsweg des Menschen teilhaben, wollen mitgenommen werden und stellen somit Entwicklungsaufgaben hinsichtlich Pflanze, Tier, Natur und Landschaft an den Menschen.
Für unsere gewachsene Einrichtung stellt sich im nun fünfzehnten Jahr ihres Bestehens die Aufgabe, sich vermehrt der Entwicklung ihres Umfeldes – insbesondere durch die Arbeit an der Erde – zu widmen.
Fortentwicklung des Schulbauernhofes
Die bisher vorhandenen Einrichtungen unseres Schulbauernhofes werden den neuen erweiterten Anforderungen nicht mehr gerecht. Durch eine verbesserte Infrastruktur des bestehenden Schulbauernhofes soll dieser für die aktuellen Aufgaben ausgerüstet sein. Durch die Leistung nachhaltiger Investitionen in die Zukunft kann unser Bauernhof zu einem Ort ausgestaltet werden, von dem eine Wirkung in das nähere und weitere Umfeld ausgeht. Eine Arbeit an der Entwicklung von Mensch und Erde steht hier im Mittelpunkt. Ausgehend von einem kleingliedrigen Selbstversorgerbetrieb – bewirtschaftet nach biologisch-dynamischen Gesichtspunkten und in der Mitte unserer Einrichtung befindlich – wird regional ein Gegenpol zu weltweit drängenden Problemen wie dem Verbrauch natürlicher Ressourcen, Degradation des Bodens oder ungleicher Nahrungsverteilung gebildet. Die Pflege von Kultur, sei es Landschafts- oder Esskultur sowie eine Kultur des Miteinanders in einer inklusiven Arbeitswelt steht ebenso im Blickfeld.
Die genannte Verbesserung der Infrastruktur soll in drei Schritten geschehen:
Im ersten Schritt planen wir die Errichtung eines kleinen landwirtschaftlichen Hauses, das zentrales Element des Bauernhofes sein wird. Neben der Beherbergung von Räumlichkeiten für die zahlreichen Menschen, die den Bauernhof beleben, werden Räume zur Verarbeitung von Lebensmitteln, zur Unterbringung von Werkzeugen und zur Lagerung von Futter, Gerätschaften und weiterem benötigt. Diesem zentralen Ort werden eine Dunglagerstätte, zur Pflege des anfallenden Mistes, sowie ein Platz zur Bereitung von Präparaten angegliedert sein.
In einem zeitlich parallel verlaufenden zweiten Schritt beabsichtigen wir, die Möglichkeiten für einen Ankauf der uns umgebenden landwirtschaftlichen Flächen zu erörtern, um diese ebenfalls einer biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise zuzuführen und für den Ausbau unseres Projektes zu nutzen.
Daran im Anschluss wird ein dritter Schritt möglich sein, der eine Ausweitung des bis dahin existierenden Bauernhofes vorsieht und einer größeren Zahl von Menschen Arbeit, Beschäftigung und Einkommen sichern soll.
Wie bei den bisher gegangenen Schritten, die durch zahlreiches Engagement vieler Menschen und durch zahlreiche Unterstützer über die vergangenen Jahre gewachsen sind, werden wir auch für die kommenden Projekte auf die Unterstützung durch Menschen angewiesen sein, denen unsere Ziele am Herzen liegen.
Für unsere Einrichtung stellen die geschilderten Schritte einen bedeutenden Punkt ihrer Biografie dar. Der Blickwinkel – ausgehend von der Betrachtung der Entwicklung des besonderen Kindes – wird fortan erweitert auf die gegenseitige Fortentwicklung von Mensch und Erde. Der Schulbauernhof wächst über die Grenzen der Organisationsform Schule hinaus und bietet sinnstiftende Tätigkeit für unsere Schulabsolventen. Die Arbeit an der Pflege und an der Gesundung der Erde – mittels biologisch-dynamischer Bewirtschaftung – rückt weiter in den Mittelpunkt.